Feuchtigkeits­empfindliche Bauelemente

Elektronische Bauelemente können hygroskopisch sein, d. h. sie neigen dazu, Feuchtigkeit aus der Umgebungsluft anzuziehen und im Kunststoffgehäuse anzulagern.

Die eingelagerte Feuchtigkeit kann während des Lötprozesses in der SMD-Fertigung zur Beschädigung des betroffenen Bauelements führen und die Qualität der Baugruppe gefährden.

Bei der Handhabung und Lagerung feuchtigkeitsempfindlicher Bauelemente setzen wir daher auf standardisierte Prozesse, ein automatisiertes Handlingsystem sowie auf sorgfältige Dokumentation.

Gefahren bei feuchtigkeits­empfindlichen Bauelementen

Werden feuchtigkeitsempfindliche Bauelemente während des SMD-Lötverfahrens im Reflow-Lötofen erhitzt, dehnt sich die Feuchtigkeit in Form von Wasserdampf aus. Der schlagartig entstehende Druck kann die betroffenen Bauelemente stark beschädigen.

Im Gehäuse feuchtigkeitsempfindlicher SMD-Bauteile können kleine, kaum sichtbare Risse entstehen. In extremen Fällen führt der plötzliche Druckanstieg zum Aufplatzen des Gehäuses. Dieses Phänomen wird auch als Popcorn-Effekt beschrieben.

Im Fall von mehrlagigen Leiterplatten werden die miteinander verklebten Schichten bei zu hohem Druck delaminiert. Dies führt zum Defekt der Leiterplatten.

Klassifizierung von Feuchtigkeits­empfindlichkeit (MSL)

Bauelemente werden vom jeweiligen Hersteller in Feuchtigkeits-Empfindlichkeits-Klassen eingeteilt, auch MSL genannt (MSL = Moisture Sensitive Level). Die Skala reicht von Level 1 (nicht feuchtigkeitsempfindlich) bis Level 6 (extrem feuchtigkeitsempfindlich).

Der MSL gibt an, unter welchen Bedingungen das jeweilige Bauelement zu lagern ist und wie es anschließend verarbeitet werden muss.

Je nach Klassifizierung darf ein Bauelement nur für eine festgelegte Zeit außerhalb eines feuchtigkeitsgeschützten Bereichs gelagert werden. Diese Zeit wird auch als Floor Lifetime bezeichnet. Sobald die Floor Lifetime überschritten wurde, besteht die Gefahr, dass das Bauelement zu viel Feuchtigkeit absorbiert hat und beim Lötprozess beschädigt wird.

Beispiele:

  • Bauteile in Level 1 haben eine unbefristete Lagerzeit ohne Schutzverpackung. Sie absorbieren eine unkritische Menge an Feuchtigkeit und gelten daher als feuchtigkeitsunempfindlich.
  • Bauteile in Level 2 können maximal ein Jahr außerhalb des feuchtigkeitsgeschützten Bereichs gelagert werden.
  • Bauteile in Level 5 drohen nach achtundvierzig Stunden außerhalb des feuchtigkeitsgeschützten Bereichs zu viel Feuchtigkeit absorbiert zu haben.

Lagerung von feuchtigkeits­empfindlichen Bauelementen

Feuchtigkeitsempfindliche Bauteile müssen in trockener Atmosphäre gelagert werden. Bei Baudisch Electronic wird dies auf zwei Wegen umgesetzt: mit einem feuchtigkeitsregulierten automatischen Lagersystem sowie anhand von Feuchtigkeitsschutzverpackungen.

Automatisches Lagersystem für feuchtigkeits­empfindliche Bauteile

Das vollautomatisierte Lagersystem verfügt über einen gesonderten Bereich, in dem die Luftfeuchtigkeit konstant bei unter 1 % liegt.

Feuchtigkeitsempfindliche Bauelemente werden hier ohne weitere Schutzverpackung gelagert.

Folgende Informationen sind für das Handling der feuchtigkeitsempfindlichen Bauelemente essenziell und werden deshalb automatisch durch das Lagersystem protokolliert und überwacht:

  • Lagerhistorie
  • MSL Level (enthält: maximale Lagerzeit ohne Schutzverpackung)
  • Versiegelungsdatum des Herstellers
  • Informationen des Herstellers zu Trocknungsverfahren, -zeit und -temperatur
  • Verbleibende Floor Lifetime

Feuchtigkeitsschutz­verpackung (Drypacks)

Alternativ werden feuchtigkeitsempfindliche Bauelemente zum Schutz vor Feuchtigkeit in sogenannten Drypacks verschweißt und gelagert. Diese bestehen aus feuchtigkeitsundurchlässigem Kunststoff und enthalten zum zusätzlichen Schutz der Bauelemente Trocknungsmittel sowie Feuchtigkeitsindikatorkarten.

 

Trocknung

Die beschriebene Gefährdung durch Feuchtigkeit besteht ausschließlich während des Temperatureinflusses beim Reflow-Vorgang. Ansonsten ist Luftfeuchtigkeit unschädlich für Bauelemente. Daher können Bauelemente ohne Qualitätsverluste durch Trocknung, auch Tempern genannt, von Feuchtigkeit befreit werden. Die Floor Lifetime ist daraufhin wieder vollständig hergestellt.

Bei der Trocknung wird das Bauelement den Herstellerangaben entsprechend im dafür vorgesehenen Trocknungsofen über mehrere Stunden schonend erhitzt.

Hierbei verdampft absorbierte Feuchtigkeit langsam und entweicht kontrolliert, ohne dabei das Kunststoffgehäuse zu beschädigen.

Das Tempern kommt auch dann zum Einsatz, wenn bei der Anlieferung feuchtigkeitsempfindlicher Ware festgestellt wird, dass die Schutzverpackung beschädigt ist. In diesem Fall kann nicht nachvollzogen werden, wie lange sich die Bauelemente außerhalb der Schutzverpackung befunden haben. Daher werden die betroffenen Bauteile vorsorglich getrocknet und können mit vollständiger Floor Lifetime eingelagert werden.